Vor 30 Jahren: Die Barschel-Affäre
Schleswig Holsteins Ministerpräsident Uwe Barschel (CDU) kämpfte mit allen Mitteln, um auch die Landtagswahl 1987 zu gewinnen. Um sein Image aufzubessern, zeigte er sich nach seinem Flugzeugabsturz Ende Mai als geläutert, während kurz danach seine schmutzige Wahlkampagne anlief.
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Ein Stern-Reporter und ein Fotograf treffen im Genfer Hotel ein. Sie haben die Information erhalten, dass Uwe Barschel dort Beweise für seine Unschuld suche. Ihr Plan ist es, Barschel am nächsten Morgen in der Hotel-Lobby abzufangen. Dort will der Stern-Reporter ein Interview mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten führen. Das Thema: Barschels Unschuld im Landtagswahl-Skandal.
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Uwe Barschel unterbricht seinen Urlaub auf Gran Canaria, um nach Genf zu reisen. Seine Frau sagt, er wolle dort am Abend einen Informanten treffen. Ihr Mann solle dort wichtige Fotos erhalten, die ihn vorm Untersuchungsausschuss entlasten würden. Dort muss Barschel sich übermorgen, 12. Oktober, verantworten.
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Doch da ist noch etwas: Der „Spiegel“ hat Agenturen und Fernsehsendern bereits am Vortag Enthüllungen über ein „Waterkantgate“ in seiner Montagsausgabe angekündigt. Darin wird berichtet, dass Engholm von Detektiven beschattet worden sei. Nachbarn beobachteten zwei Männer, die „auffällig unauffällig“ in ihrem Wagen saßen. Bei einem Engholm-Mitarbeiter im Fraktionsbüro der Landes-SPD habe sich bereits vor einigen Monaten eine Kieler Sicherheitsbeamtin gemeldet und Engholms-Fahrer den Tipp gegeben, darauf zu achten, ob er verfolgt werde.
Zudem sei gegen Engholm eine anonyme Steueranzeige erstattet worden. Das Schreiben soll ihm zugespielt worden sein, als er es laß, sei er verblüfft gewesen. Die Angaben in dem Dokument seien falsch, aber „technisch perfekt“ zusammengestellt, dass nur jemand, der seine Einkünfte genau kennt, dahinterstecken könne. -
Die Lübecker Nachrichten berichten vom Absturz. Sie zitieren einen Kieler Regierungssprecher: Barschel gehe es den „Umständen entsprechen gut“. Auch der Geschäftsführer des Flughafens Lübeck, Harry Kleinschmidt, kommt zu Wort: „Es grenzt an ein Wunder, dass Barschel überlebte." Auch Landeswirtschaftsminister Manfred Biermann, der Barschel im Krankenhaus besuchte, meint, es sei „wie ein Wunder", dass Barschel, der wenige Meter von dem Flugzeug entfernt im Gras gerettet werden konnte, „nahezu unverletzt überlebt hat". Baldige Genesung wünschen der Oppositionschef im Kieler Landtag, Björn Engholm (SPD), und seine Frau Barbara dem verletzten Barschel, so die Lübecker Nachrichten.
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Das Flugzeug mit Barschel und einem Sicherheitsbeamten als einzige Passagiere stürzt beim Landeanflug auf den Flughafen Lübeck-Blankensee ab. Das Flugzeug streift beim Landeanflug einen Funkmast und schlägt danach auf dem Boden auf. Der Flieger geht in Flammen auf. Beide Piloten sterben noch vor Ort. Barschel und der schwerverletzte Sicherheitsbeamte Bernd Hansen werden nach Absturz des Flugzeuges in die Unfallklinik der Medizinischen Universität gebracht.
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Uwe Barschel steigt am Abend mit seinem Sicherheitsmann in eine Cessna 501. Sie soll ihn zurück nach Lübeck bringen. Das Flugzeug ist gechartert. Die 501 oder auch Cessna Citation I/SP hat zwei Motoren und ist dafür zugelassen von nur einem Piloten geflogen zu werden. Als Barschel abhebt waren zwei an Bord. Es nieselt leicht, sonst ist die Sicht gut.
Die Cessna 500 ist das Vorgänger-Modell der 501. Foto: Imago/teutopress -
Uwe Barschel und Bundeskanzler Helmut Kohl. Foto: Imago/Dieter Bauer Uwe Barschel trifft Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) am 31. Mai in Bonn. Dort befindet sich von 1949 bis 1990 die provisorische Bundeshauptstadt. Sie sind Parteifreunde. Thema ihrer Gespräche könnte die anstehende Landtagswahl sein. -
Wer ist Björn Engholm: Bei der Landtagswahl 1983 wurde er Mitglied im Landtag von Schleswig-Holstein. Im Mai 1984 wurde er dann in den Bundesvorstand der SPD gewählt. Der 49-Jährige ist der stärkste Konkurrent Uwe Barschels im Kampf um die Landtagswahl 1987.Zuvor saß Engholm von 1969 bis 1983 im Deutschen Bundestag. Sein Wahlkreis, Lübeck, wählte in stets als direkten Abgeordneten. Von 1981 bis 1982 war er Bundesminister für Bildung und Wissenschaft, 1982 auch Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. 1962 trat er in die Partei ein.Er wuchs in Lübeck auf und lernte Schriftsetzer im Verlag der sozialdemokratischen Tageszeitung Lübecker Freie Presse. Gleichzeitig studierte er auf dem zweiten Bildungsweg an der Hochschule für Wirtschaft und Politik in Hamburg. 1962 begann er ein Studium der Politik, Volkswirtschaft und Soziologie an der Universität Hamburg, das er als Diplom-Politologe abschloss. Dann war er als Dozent in der Jugend- und Erwachsenenbildung tätig.
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Rückblick: Die Wahlergebnisse der Landtagswahlen in SH 1983. Die Wahlbeteiligung betrug 84,8 Prozent. Die CDU holte 49 Prozent, die SPD 43,7 Prozent. So nah beieinander lagen die Parteien seit über 20 Jahren nicht mehr. Die FDP erreichte 2,2 Prozent und die Grünen 3,6 Prozent. Damit verfügte die CDU über 39 von 74 Sitzen im Landtag Schleswig-Holsteins. Die SPD hatte 34 Sitze inne.
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Die Vorbereitungen für den schleswig-holsteinischen Landtagswahlkampf sind in vollem Gange. In seinem Zentrum stehen Uwe Barschel (CDU) und Björn Engholm (SPD). Zum ersten Mal begegneten sich die Kontrahenten im Landtagswahlkampf 1983 als Spitzenkandidaten ihrer Parteien. Barschel blieb Ministerpräsident und Engholm wurde Oppositionsführer. Der SPD-Politiker ist beliebt und auch in bürgerlichen Kreisen angesehen. Die Umfragen zeigen, dass nach vier Jahrzehnten die Chance zum Machtwechsel besteht.
Björn Engholm 1985. Foto: Imago/teutopress -
Uwe Barschel bei einer Sitzung. Foto: Imago/Sven Simon Wer ist Uwe Barschel: Im Oktober 1982 wurde Uwe Barschel zum Ministerpräsidenten Schleswig-Holsteins ernannt. Er trat die Nachfolge von Gerhard Stoltenberg an, der zum Finanzminister in der Regierung Helmut Kohls befördert worden war. Bei den Landtagswahlen 1983 konnte die CDU unter seiner Führung mit 49 Prozent der Stimmen die absolute Mandatsmehrheit verteidigen, obwohl die SPD auf 43,7 Prozent zulegte.Von 1973 bis 1979 war er Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion. Zwei Jahre zuvor zog er in den Landtag ein. Er war seit 1960 Mitglied der Jungen Union und seit 1962 auch der CDU. Von 1967 bis 1971 war er Landesvorsitzender der Jungen Union in Schleswig-Holstein.Barschel wuchs in einfachen Verhältnissen in einer Barackenanlage für Flüchtlinge in Bönsen bei Geesthacht auf. Seine Mutter arbeitete als Näherin und überließ die Erziehung ihren Eltern. Barschels Vater Heinrich, ein Mathematiker, gilt als verschollen. Seine Lehrer am Städtischen Gymnasium Geesthacht beschrieben ihn als auffällig ruhig und ernst, seine Mitschüler als sehr ehrgeizig und karrierebewusst. Nach dem Abitur begann Barschel 1964 das Studium der Rechtswissenschaften, Volkswirtschaftslehre, Politikwissenschaft und Pädagogik an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Nach dem ersten (1968) und zweiten Staatsexamen (1971) schloss er das Jurastudium als Volljurist ab.