Olympia-Liveblog






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Übrigens: Auch die Wände und Abflüsse sind eher lautstärkedurchlässig. Sobald in einem der Stockwerke über mir jemand duscht oder auf Toilette geht, rauscht es hier und rumpelt es als würde es durch die Decke regnen und gleich alles einstürzen. Brasilianische Hochbaukunst.
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Nur bauen können sie halt nicht...das ist der "Lichtschalter" in unserer Küche. Ich weiß noch nicht, ob ich die Kabel kurzschließen soll, damit ich Licht kommt, oder besser nicht. Aber eigentlich benötigen wir da drin auch kein Licht. Denn wenn man ehrlich ist, gibt es auch keine Küche, sondern nur einen Kühlschrank, ein Waschbecken und eine Mikrowelle.
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Vesper zum FrühstückDer Condor has landed. Im Flieger waren Athleten aus der Mongolei, Tschechien, Spanien, Finnland und Russland - schon komisch, wenn man während des Fluges stundenlang Artikel über das Staatsdoping in Russland liest und dann in Gesichter von fröhlichen russischen Athleten sieht. Wir haben am Flughafen eine Stunde gewartet, bis die Akkreditierungsstelle um 5 Uhr Ortszeit auf gemacht hat. Franzi van Almsick und Kollegen von der ARD liefen rum, zum Beispiel Tobias Barnerssoi - Riesenslalom auf dem Zuckerhut? Chef de Mission Michael Vesper begrüßte uns jedenfalls. Hunger habe ich trotzdem.
Also wir wären dann schon mal soweit . . . -
Neckar-Cup in RioIn Rio landen, war ein bisschen wie nach Hause kommen: Ralf Weigel aus dem 136-Einwohner-Ort Ingelfingen-Lipfersberg, der beim Tennis-Challenger in Heilbronn für die Technik im Netz verantwortlich ist, betreut auch die Spiele. "Es wird neun tage auf zehn Plätzen gespielt", sagt er. "Es ist genauso wie in Heilbronn, nur größer."
Gerade noch in Heilbronn, jetzt in Rio, dann zwei Tage zu Hause in Lipfersberg, dann bei den US Open: Ralf Weigel. -
Meinen Olympia-Rucksack habe ich auch schon bekommen! Er sieht ein bisschen wie fürs Überlebenstraining aus. Ist es ja auch. In London habe ich gleich drei zerschlissen. Diesmal wird es hoffentlich besser. Mein Laptop hat abgespeckt und wiegt nur noch zwei statt fünf Kilo.
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Die Steckdosen hier sind nur für flache Stecker geeignet. Mein Laptop und mein Föhn Habenseite breite Stecker. In London gab es solche Adapter überall für Journalisten gratis. Ich hatte immer welche in der Tasche, musste aber auch oft welche nachholen, weil ich so viele verloren und verliehen habe. Kollege Lars verlieh mir daraufhin den Spitznamen "Stecker-Susi". Der ist jetzt vorbei. Als ich gestern am Main Helpdesk fragte, wo man denn so einen Stecker bekommt, hieß es: Im Supermarkt.
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Liebe Susanne,Halt! Ich mag morgens ein (Brötchen-)Aufschneider sein, aber ein Angeber bin ich nicht! Das ist derselbe Adapter, den ich vor vier Jahren schon durch London trug - während Du Dir in harter täglicher Arbeit den Namen Stecker-Susi eingesammelt hast.
Mein brasilianisches Büro! (Und nachher poste ich noch: mein Haus, mein Auto, meine Stereoanlagenfernbedienung - Angeber, ich, pah!) -
Gut gerüstet für die SpieleBevor ein falscher Eindruck entsteht: Ich habe es mit meinem Quartier sehr gut getroffen: (ab-)fließendes warmes und kaltes Wasser; Zimmer, in das ich und meine Koffer passen; ein funktionierender Zimmersafe (hat eine kompetente Dame ruckizucki resettet). Aber da oder dort sieht es schon ein bisschen improvisiert aus - Lateinamerika halt.
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Ich bin übrigens noch meinen "Reporter unterwegs" von gestern schuldig. Eine Art persönliche Tageszusammenfassung. Viel Spaß beim Lesen:
Susanna do Brasil
Am Freitag beginnen die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro. Susanne Fetter ist schon da. Brasilien und sie nähern sich aber erst langsam an.Susanna do Brasil – Susanne aus Brasilien, so nennt mich ein Freund scherzhaft, seit er weiß, dass ich nach Rio fliege. Seine Familie stammt aus São Paulo, und er hat versprochen, dass es mir in Brasilien gefallen wird. Nicht nur er war neidisch, dass ich nach Rio fliege. Andere wollten am liebsten gleich mit in den Koffer. Es ging nicht, aber wenigstens ein Foto musste ich einpacken. „Für deinen Nachttisch“, haben sie gesagt.
Jetzt habe ich sie immer bei mir, meinen Föhn dagegen nicht. Am Morgen des Abflugs schied er mit einer Stichflamme und einem lauten Knall aus dem Leben. Vielleicht wusste er, welche Strapazen so eine Reise mit sich bringt.
Es war nicht der letzte Streik, der mich erwischte. Erst setzte mein neuer Laptop die Arbeit aus, weil er unbedingt eine neue Karte wollte, dann zog das Bordpersonal meiner Fluglinie nach. Offenbar nicht nur jenes, das am Boden blieb, sondern auch jenes, welches mit in die Luft stieg. Zweimal bekam ich eine Stewardess auf dem Zwölf-Stunden-Trip zu sehen. Immerhin: Der Flieger landete pünktlich.
In Rio streikten dann die Busfahrer. Dass es gewerkschaftlich organisiert war, wage ich zu bezweifeln. Die anderen kamen, nur „meiner“ nicht. Gut zwei Stunden wartete ich auf das Shuttle. Als ich endlich da war, stellte ich fest, dass mein Kopf zwischenzeitlich seine Arbeit eingestellt hatte. Ich war im falschen Mediendorf gelandet.
Im richtigen Dorf landete ich dafür im falschen Zimmer. Ich hatte ein Doppelappartement gebucht mit eigenem Bad. Bekommen habe ich ein Dreierappartement, und das Bad geht von meinem Schlafzimmer ab und dem eines Mitbewohners. Abgesehen davon, dass ich mir nur ungern mit Männern, die ich nicht kenne, ein Bad teile, zu zweit hätten wir darin ohnehin keinen Platz. Der Raum schmiegt sich um mich wie die berühmten Wurstpellenkleider um Mariah Carey.
Mein Zimmer selbst ist nicht viel größer. Ein Bett steht darin, ein Ständer mit fünf Kleiderbügeln und eine Kofferablage, die allerdings eher für Handgepäck gebaut wurde. Und so habe ich die Qual der Wahl. Entweder gehe ich in das Zimmer oder der Koffer. Ich würde ihn ja ins Bad stellen, aber möglicherweise hat da mein Mit-Toiletter etwas dagegen. Immerhin gibt es einen Nachttisch. Es ist eher ein Tischchen, aber groß genug für das Bild meiner Freunde. Ein Lichtblick. -
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Die Pressekonferenz mit den Flüchtlingen war sehr beeindruckend Alle zehn Athleten des Refugee-Teams saßen auf dem Podium. Besonders viele Fragen musste Yursa Mardini beantworten. Die 18-Jährige Schwimmerin war im 2015 von Syrien nach Deutschland geflüchtet. Bei der Überfahrt mit einem Schlauchboot nach Lesbos drohte das völlig überfüllte Boot mit etwa 20 Menschen darauf in der Ägäis zu sinken. Yursa, ihre Schwester Sara und ein bis zwei weitere Flüchtlinge sprangen ins Wasser und zogen das Boot an Land. Ihr Geschichte ist am Donnerstag in der Neuen Osnabrücker Zeitung zu lesen und morgen auf noz.de.
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Zum Abschluss des Tages noch mein "Reporter unterwegs":
Bin ich schon drin?
Ohne Internet ist man mittlerweile ein Nichts als Journalist. Susanne Fetter ist seit gestern so was von online.1999 staunte Boris Becker Bauklötze, als er zum ersten Mal im Internet war. „Bin ich schon drin?“, rief Bobbele erstaunt in der Werbung. Jeder, der schon einmal versucht hat, einen Router zu installieren, weiß, das ist realitätsfern bis zum Gehtnichtmehr.
Auch im Medienzentrum in Rio ist es nicht so, dass man einfach seinen Laptop an ein Kabel hängt, und los geht’s. Vorher muss man eine „Rate Card“ kaufen. Fünfhundert Real kostet sie – 137,25 Euro. Doch in Euro kann ich nicht zahlen. Auch nicht mit Kreditkarte.
„Only visa“. Den Satz habe ich in den letzten Tagen so häufig gehört, dass ich aufgehört habe mitzuzählen. Einkaufen im Supermarkt im Mediendorf – „nur mit Visa“. Einen Geldautomaten? Gibt es. Abheben? Nur mit Visa. Und jetzt die Rate Card. Wie praktisch, dass es im Pressezentrum einen Stand des Hauptsponsors der Spiele gibt. Vermutlich existiert ein hübscher Begriff für diese Art von Druckmarketing – ich sage dazu Erpressung, rege mich auf und kapituliere doch.
Mit meiner Neuerwerbung suche ich den Stand für die „Rate Card“. Im dritten Stock soll er sein. Da sind aber nur die Büros der Agenturen. Jemand schickt mich auf Etage zwei, wo ich vor dem Raum des russischen NOK lande. Keiner da. Alle bei der Dopingprobe? Ich gehe ins Erdgeschoss. „Sie müssen in Stock drei“, sagt ein Helfer. Ich komme mir vor wie Asterix im Haus der Irren auf der Suche nach Passierschein A38 und laufe wohl ähnlich rot an wie der kleine Gallier, da schiebt der Helfer nach: „Nicht den zweiten Aufzug nehmen, den ersten!“ Natürlich.
Ausgeschildert ist er nicht und wenig vertrauenerweckend. Aus allen Ritzen quillt Klebeband. Ich steige mutig ein und fahre nach oben. „Rate card“ steht auf vier Schildern. Der Mann hinter dem Tresen, will dennoch wissen, was ich will. „Rate card“, sage ich, und er sieht mich fassungslos an. Wüsste er jetzt auch nicht, was das ist. Ich deute auf das Schild, das er um seinen Hals trägt. „Rate card“, steht da drauf. „Nie gehört“, sagt er. Aber er könnte mir einen Internetzugang verkaufen.
Gut, nehme ich. Ich zahle. „Only visa“, sagt er. Ich nicke. Auf dem Weg nach unten bleibt der Aufzug stecken. Erst rumpelt er, dann wird es dunkel. Ich drücke den Notfallknopf. Es piepst, irgendwann geht die Tür wieder auf. Man muss nicht immer „drin sein“. Manchmal ist es schön, einfach wieder draußen zu sein. -
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Es gibt eine Landsmannschaft, die mir beim Essen echt auf den Keks geht. Und mit Drängelei, ansatzlosen Rucksack-Checks (schade um die Milch!) und Geschmatze wieder in Erinnerung bringt, warum ich nach dem ganzen Spaß auch diesmal wieder erst mal keine Menschenmassen um mich herum brauche. Ich hätte mehr schlafen sollen? Zweifellos.
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Gestern kam mein neuer Mitbewohner an. Javis (ich muss ihn mal fragen, ob es so geschrieben wird, aber nicht nach 25 Stunden Reise) aus dem Iran. Er ist Fotograf und sehr nett. Er war auch schon in Peking und London. Sein erster Eindruck von unserer Unterkunft: so schlecht war es in den anderen Mediendörfern nicht. Ich gebe ihm auf den Schock ein Bier aus und er mir ein paar Pistazien aus seiner Heimat. Geteiltes Leid ist eben doch manchmal halbes Leid.
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